Drei Meter hoch, 25 Meter weit (285)

Soso, da fahren sie also wieder, die Doctoren. Eben noch mit lauwarmen Bockwürsten an der Total-Tankstelle im Leipziger Osten beglückt (O-Ton-Makarios: „Lauwarme Bockwürste schmecken zwar furchtbar, sind aber wenigstens frisch eingelegt“), schon auf dem Weg nach Elbflorenz. Fürst Fedja sorgt zudem für einen sicheren Transfer („Mit wird ganz anders, wenn du 200 fährst“ – wieder Makarios), die erstmalige Überquerung der Waldschlösschenbrücke versetzt den Tross in Staunen. „So viel Aufruhr. Weltkulturerbe und Fledermäuse. Wahnsinn, nur eine Brücke mit einem Blitzer drauf“ (keine Ahnung wer das sagte).

 

Recht feudal gestaltet sich bereits das Einchecken in die Unterkunft. Bezogen werden, nach erfolgreichem Eintippen des Haustür-Codes, Zimmer in einer herrschaftlichen Jugendstil-Villa des TU-Gästehauses „Einsteinstraße". Den schriftlich hinterlegten Anweisungen (roter Edding, mindestens Stärke 400) der Herbergsmutter, doch bitte gleich beim Eintreffen diverse Formulare auszufüllen, kann selbstredend nicht entsprochen werden. Schließlich lockt von Ferne bereits das Lingnerschloss-Buffet. Mit dem Duft diverser Vorsuppen bereits in der Nase, wird der weinumrankte Elbhang schließlich erreicht. Jetzt fehlen nur noch Roadies. So welche mit dicken, tätowierten Armen, die sich zwei Gitarrenkoffer gleichzeitig über die Ohren hängen und restliches Bühnengepäck auf dem Kojak-Kopf spazieren führen. Doch die sind nicht auszumachen. Also los, viele Meter Kiesweg sind bis zu den Schlossterrassen zu bewältigen. Erschöpften Mutes wird der dem Anlass entsprechend schick gekleidete Gastgeber erblickt und geherzt. Dann geht es in die untergehende Sonne, zum Hang. Die Schiffe auf der Elbe sehen aus, als wären sie kleine Modellbauboote. Pratajev, lieber Pratajev, was haben dir die Russian Doctors nicht alles zu verdanken. Ein Prost dem großen Dichter.

 

 

Adrett frisiert und herausgeputzt präsentiert sich ebenfalls das DJ-Technikduo, weist Makarios und Pichelstein ein. Es folgt ein minimaler Soundcheck. Wer lässt schon gerne frisch gezapfte und geschüttelte Getränke alleine an der Schnapsbar zurück? Und bald soll er ja frei sein, der via Powerpoint-Präsentation angekündigte Platz am Buffet-Himmel. Fürst Fedja, wie immer skeptisch, vor allem was die bereit stehenden Meeresfrüchte betrifft, ist in Debattierhöchstform. Das muss er auch, schließlich war er mal fürs Bekochen von Leipziger Messegästen zuständig. Na manchmal wurde auch ein alter Scheuerlappen paniert. Da kannte man ja nichts. Mittenmang strömen weitere Gäste, allesamt Teilnehmer und Organisatoren des sich seit einigen Tagen in Klausur befindlichen, hiesigen Kongresses der Medizinischen Psychologie, ins Innere des Lingnerschlosses. So sitzt man, tauscht sich aus, die Weinkellner proben sich im Dauerlauf.

 

 

Schweren Herzens werden eine Stunde später die Münder abgewischt, denn stimmt, warum wurde zur Privatfeier geladen? Genau, es gilt, Pratajevs Weisen zu Gehör zu bringen. Möge der Kongress tanzen. Hendrik präsentiert dem aus aller Welt angereisten psychologischen Forschervolk: The Russian Doctors und nach einer Welle von Dankesworten, die im Besonderen der Zunft junger studentischer Hilfskräfte gewidmet werden, startet das Intro. Makarios und Pichelstein verorten sich dabei auf einer drei Meter hohen Bühne. Bis zu den ersten Sitzplätzen sind satte 25 Meter zu überbrücken. Das verunsichert ein wenig, na gut, durch das beständige Anwerfen der Nebelmaschine wähnt man sich bisweilen auf hohen, morgendlichen Ozeanen zu Hause. Doch es birgt große Freude. Begeisterung, klatschende Hände sind am Ufer zu vernehmen. Pratajevs Weisen in einem Elbschloss, dort gehören sie hin. Man kann ja nicht immer nur in Wirtshäusern aufspielen. Der nächste gerechte Vodka erreicht das Bühnenrund.

 

Nach Ende des Konzertes werden schwer bepackte Schnapstabletts gereicht, Lebensbiographien („Die Angst der sehr jungen Zahnärztin vor dentaler Eigenbehandlung“, so einer der Titel) ausgetauscht. Und natürlich Weisheiten, denn die sind im Stadium höchster Lebensfreude immer sehr wichtig. Entscheidend ist dabei nur, dass man sie hinterher schnell wieder vergisst.