Nicht der Teufel, sondern die Schönheit steckt heute im Detail (456)

 

Das Doctors-Team steht - trotz erst halbwegs überstandener Rhinoviren-Infektionslage - bereit. Die Taktik ist 1A, auf geht’s nach Oranienburg zur nächsten kulturellen Tiefbohrung. Ja, ganz schlecht fürs Klima. Aber da sich kein smarter Kopfhaarpalm-Vertreter der sogenannten „Letzten Generation“ mit Wucht und Umweltliebe an Pratajevs Erben klebte, dürfen sie bis Berlin fahren und nehmen hinwegs nicht die Stadtautobahn, wo (eben!) Aktivisten herumkleben, was zu einem immensen Stau führt.

 

Gänse, Kraniche ziehen in V-Formationen vorbei Richtung Süd-West, verfolgt von aluhutdurchdringenden Chemtrails. Pichelstein drückt aufs Gaspedal, Frank „The Tank“ hat das Navi im Blick, Makarios die Pilze am Wegesrand. Erzählt wird die Geschichte vom „Sachsentod“ und die geht so: In Sachsen wächst der Graue Wulstling, ein zu Hauf gesammelter Speisepilz, der mit dem giftigen Pantherpilz verwechselt werden kann. Pantherpilze kommen in Sachsen nicht vor, dafür aber in Brandenburg. Viele Sachsen, die dortselbst Pilze suchen, verwechseln den Pantherpilz mit dem Wulstling, was kurz nach dem Verzehr zu Halluzinationen und Tobsuchtsanfällen führt. Jede Brandenburger Notaufnahme kann ein Lied von Sachsen singen, die alle Hemmungen verloren, den Schwestern schlimme und anzügliche Dinge hinterherriefen, bevor ein todesähnlicher Schlaf sie übermannte.

 

Pichelstein, der das Pilzesammeln – genau wegen solcher Geschichten – gänzlich in Frage stellt, rauft sich die Haare, parkt den Golf schließlich vor der schmucken Pension Oranjehus. Indian Summer. Es herbstet. Igel rascheln im Laub. Nicht der Teufel, sondern die Schönheit steckt heute im Detail. Selbst wenn man zuvor von einem Wartburg-Luthermobil auf der Landstraße ausgebremst wurde.

 

Rasch die Zimmerschlüssel per Boxcode geangelt, eingecheckt, ruhen. Baumfreund Ekmels 50. Geburtstag im Weidengarten möchte fürwahr mit juveniler Frische erreicht werden.

 

 

 

Kaum ist der Ort des Geschehens erreicht, trifft der Gastgeber mit der Pratajev-Gesellschaft-Mitgliedsnummer 47 als Pedaleur ein. Großes Hallo! Rein in die gute Stube zum Pächter Bob. Für alle Stimmen Kaltgetränke, umspült von bester Musik. Pichelstein richtet die Bühnentechnik und ist sehr dankbar dafür, dass die Techniklage bereits Wochen zuvor per Telefon besprochen wurde. So passt am Ende alles zusammen und der Soundcheck ist kurz. Marcella darf begrüßt werden, lange nicht gesehen. Nicht mehr weit ist es bis zum ersten Herrenknuff der Abordnung des Männergesangsvereins Concordia Teschendorf. Verstrickt in manches Gespräch lässt sich erfahren, dass jemandes Katze frisch überfahren wurde und sogar ein Tierarzt anwesend ist. Tröstlich: "Tote Katzen im Wind" und "Kommt die Katz" dürfen später dennoch zum Besten gegeben werden.

 

Mittlerweile ist der Weidengarten voll besetzt, das Buffet dampfend aufgefahren. Eine Rede! Eine Rede! Baumfreund Ekmel lässt sich nicht lumpen und stellt die Docs als Musikimpfung gegen Krise und Krieg ins hellste Licht. Schon werden Teller mit edelsten Speisen befüllt, arbeiten die meisten alleweil auf den wohlverdienten Schwips am Ende eines langen Tages hin.

 

 

 

Bis es so weit ist, konzertieren Makarios und Pichelstein. Das Intro läuft, der „Schwermut im Herbst“ folgt eine Parade Land- und Schnapslieder, die alle anwesenden Pratajev-Mods redlich feiern lassen. Staunend wird das alles vom eher dem Schlagerhabitat zugetanen Gästeblock zur Kenntnis genommen. Tja, Händchenhalten ist was für die Geisterbahn, ein Doctors-Konzert kein Vortrag über Klemmbausteine, heute darf eskalieret werden. Innerhalb von gleich zwei schnapsbar-geteilten Konzertblöcken. Und es macht super viel Spaß. Danke, lieber Baumfreund Ekmel an dieser Stelle für die Einladung zur Tour de Oranje.

 

Easypeasy, alles andere als vom betrübenden Bluesrock geleckt, galoppiert Pichelstein weiter über die Saiten, dirigiert Makarios durchs Set. Am Ende ist es die Kuh, der’s gut geht - und den Doctors, die noch vorm Umstellen von Sommer- auf Winterzeit das Nachtlager erreichen. Zu einem Drittel gar frisch geduscht. Halleluja!