Im Hier und Jetzt (421)

 

Wie heißt es so schön? Konzerte sind Ereignisse mit höchstem Erlebniswert und jede noch so schöne Bildtechnik vermag das Erlebnis dabei gewesen zu sein nicht zu ersetzen. Doch in Zeiten der Corona-Krise ist es eben anders und so waren The Russian Doctors freudig aufgeregt über das Angebot der Leipziger Bandcommunity im hauseigenen Stützpunkt ein allererstes Streaming-Konzert geben zu dürfen. Vereinbart wurde, dass Zuschauer spendable Treuebekenntnisse abgeben können, als einstündiger Sendeplatz empfahl sich die YouTube-Akademie.

 

Nun musste nur noch ein Konzert von besonderer Würze her. Schon reifte der Plan, einen Großteil des Abends mit Stromgitarre und Schlagzeug zu füllen. Ein dritter Doctor ward rasch dafür gefunden, Apollo Muffler (bitte mit englischem Slang aussprechen) schwang sich hinters Trommelfeuerwerk und während ihrer drei Proben wuchsen die Docs zum Trio Grande über sich hinaus. Um es mit den Worten großspuriger Werbetexter zu sagen: Eine einzigartige Komposition aus Brillanz, Dynamik, Geschmeidigkeit und Technik scharrte mit den Hufen, die die Welt bedeuten. Freitag, der 03. Juli 2020 konnte anbrechen und schon sind wir in der Gegenwartsform, dem Präsens angekommen. Vorhang auf, die Flaschen gleichermaßen. Wie gut, dass Fürst Fedja vor Ort ist. Dann ist eines stets sicher: die Sonne scheint, Vodka und Honig fließen.

 

 

 

Während die Bandhaus-Bühne bereits von gleich drei Kameras ins Visier genommen wird, tüftelt die Crew am Livestream-Licht, am Sound, der ab Punkt 20 Uhr in die Welt hinauskatapultiert werden wird. Das Docs-Trio-Grande ist gefordert. Vorm Speisen will ge-soundcheckt werden. Alle auf Corona-Abstand, nur die eigens von Doctor Pichelstein rekrutierte Stofftierarmee hält sich in Monitorboxennähe partout nicht dran.

 

 

 

Umgeben von adretten Profis, was das Schöne an Konzerten im Bandhaus Leipzig immer ist, neigt sich der Soundcheck schließlich dem Ende, noch 45 Minuten bis Sendebeginn. Doctor Makarios berichtet von einstigen Die Art-TV-Gigs, bloß waren die meist Playback gespielt. Im Hier und Jetzt ist bis auf ein paar Einspieler alles echt, Werbung fürs kommende Doctors-Album inklusive; ganz hinten auf der zu spielenden Liederliste steht etwas von einer Schnellen und einem Gärtner. Dafür wird auf Katzen, Ratten, Biber, auf jedwede Schnapsbar verzichtet – die Docs wünschen sich all das bald wieder live vor Publikum. „Mal schauen wann,“ sprach der Blinde. Zunächst auf zu Speis, Trank und Desinfektionscocktails.

 

 

 

Das Intro läuft, der Wind hält den Atem an und von Ferne klatscht nach jeder Pratajev-Weise die Technik mit Fingerspitzengefühl. Wir befinden uns federnden Schritts im ersten Teil des Livestreams, Makarios und Pichelstein in Reinkultur und jeder zur Bühne gebrachte Schnaps bringt das Gefühl echten Publikums davor ein wenig näher.

 

 

 

Mit „Wodka Wodka“ gelingt die Überleitung zum Punkprogramm. Ein Heidenspaß wird‘s, nichts für Christen und Puristen. Doc Apollo Muffler schlägt Felle und Bleche wie ein Meister des Sports, ein Held der Arbeit. Pichelstein überlegt zwischendurch, ob er nicht bald auch schnellster E-Gitarrist der Welt werden möchte und die dunkle Makarios-Stimme landet als YouTube-Ohrwurm in fernsten Gegenden. All das kulminiert in einem großen Finale mit viel Nebel und am Ende, hinterm Vorhang, fällt manche seuchensichere Abstandsregel. Man liegt sich in den Armen und feiert dieses Livestream-Konzert über alle bis dato ausgefallenen Shows hinweg. Um es mit dem von Doc Pichelstein hochaffin verehrten Eckhart Tolle zu sagen: „Das JETZT ist alles, was du hast. Es ist immer JETZT. Konzentriere dich nicht auf das Negative. Es vergiftet das Gute. Es ist (eben) so, wie es ist …“ Heute ist alles gut. Im Hier und jetzt. Danke.    

 

 

Bild 1: Fürst Fedja

Bilder 2-5: Bandhaus Leipzig

YouTube-Akademie, Mitschnitt: https://www.youtube.com/watch?v=bNS_Jhhcxjw