Tanzt und bewegt Eure Hüften und Herzen (412)

 

Es ist immer noch Sommer, immer noch heiß; mit robustem Selbstbewusstsein humpelt Fürst Fedja zum Diesel-VW und pfercht sich hinein. Der Wodka-Lord reinsten Wassers, dem beim Konzert vor drei Wochen eine böse Treppe übel mitspielte, wurde unterdessen am Knie operiert und darf das Leipzig-Lindenauer Krankenlager heute verlassen. Zwei Nordic Walking-Kriegsheimkehrer-Krücken sind dabei. „Auf zum elften Dresdener Hechtfest“, heißt es wenig später, als der von den letzten Zucht-Proben stimmlich gezeichnete Doctor Makarios den Tross komplettiert.

 

Wie bei jeder Begrüßung folgt ein Adjektiv-Beschuss nach Pratajevs Diktum. Was kann man sich darunter vorstellen? Die Beschaffenheit konkreter Dinge, abstrakte Sachen, diverse Vorgänge und Zustände im Leben eines jeden Einzelnen werden bunt bekleckst. Christliche Pop-Songs sind genauso Thema wie das neue Liederbuch der Russian Doctors. Ebenso einige hier nicht näher benannte soziale Biotope mit eigenwilligen Bewohnern drin. Im Radio läuft schließlich die Bundesliga-Konferenz, auf den Autobahnen 38, 14 und 4 üben Mittelstreifen-Rentner und Wohnmobil-Lenker passiven Widerstand und strapazieren Pichelsteins Steuer-Geduld aufs Äußerste. Das Ziel ist ein kaltes Bier auf dem entspanntesten Straßenfest Dresdens zwischen Hecht- und Rudolf-Leonhard-Straße. Ein friedliches Stelldichein, ein unteilbarer Tanz der Hüften und Herzen.

 

Da … das Orgabüro. Ein großes „Hallo“ und jeder Wunsch wird von vielen roten Lippen abgelesen. Alles kommt von Herzen. Sehr schön, heute hier zu sein. Schon bald gibt es einen Parkplatz, das nH-Hotel ist gleich um die Ecke verortet - zu weit für einen Fedja-Sprint auf Krücken, doch auch Taxifahrer murren nicht, wenn der Sechs-Euro-Zahlweg 500 Meter kurz ist. Zumindest nicht öffentlich, wie sich spät in der Nacht und am Mittag danach herausstellen wird. Getränkemarken, Essensmarken, paradiesisch ("Voll, mega" - geht auch). Darauf Steaks mit Brot, Zwiebeln und Senf. Und einen Bulbash. Während das Auto des weißrussischen Gitarristen der Gruppe Gromko auf Krawall gebürstet „Alarm“ röhrt. Und das geht eine ganze Weile so.

 

 

 

Schlag 20:15 Uhr eröffnen die Russian Doctors das Stundenset mit dem „Rotarmisten.“ Makarios‘ Parole an Pichelstein: „Heute keine Experimente, spiel‘ schnell, dann schaffen wir die meisten Hits.“ Gesagt getan. Los geht er, der Furor. Glücklich unterbrochen durch kleine Schnapslieferungen zur Bühne. Die Technik ist top, die Konzertecke tanzt zur Blauen Stunde, wiegt die Hüften, schlägt Rad und Jünger des Verzichts sind nicht auszumachen. Mancher pellt sich aus dem T-Shirt und zeigt Bauch. In weiser Voraussicht werden Löffel aus Holz zu belebenden Winkinstrumenten und Makarios und Pichelstein stehen da wie Zauberer, die zusehen, wie sich Pratajevs Magie entfaltet. So herrlich ist’s, dass die zugebilligte Livestunde mit den „Toten Katzen im Wind“ und der „Schnapsbar“ endet.

 

 

Famoser Applaus, Abgang, Bühne räumen, herzen gehen, Platten unterschreiben, den Freunden von GrüßAugust mit einer 9-Volt-Batterie aushelfen. „Perfekt. Ist Saft drin. Hab meine Zunge drangehalten.“ – „Auch genügend Saft? Vielleicht doch den Batterietester nehmen?“ – „Nee, da vertrau ich meiner Zunge ganz und gar.“ Alte Berliner Punkrock-Schule eben.