Deo, wir fahren nach Leutzsch (334)


Ist das gemein. Die Sonne strahlt gelb, dick und zufrieden wie ein betrunkener Chinese am südseeblauen Himmel. Nur warm wird einem drunter nicht. Die Russenpeitsche hat weite Teile der bunten Republik unter ihrer Knute und die Doctors frieren beim Einladen des Equipments sehr. Gleich danach geht’s zur Bockwurst an die Total zu Studier- und Probierzwecken. Studiert werden die typischen Tankstellenkunden einer größeren Stadt (das sind keineswegs die langweiligen Tanker, sondern mehr so Menschen mit vom Schnaps demoliertem Gesicht). Probiert werden, na klar, Bockwürste mit goldigem Senf. Kein Tropfen davon landet in den schwarzen Textilien. So ein Glück. Für die nächsten zwei Stunden gilt es erneut, Sächsischunterricht zu nehmen (Pichelstein) und Frank „The Tank“ im Angesicht schrecklich fahruntüchtiger Autobahngesellen am Steuer zu beruhigen (Makarios). Denn wie heißt es so schön in irgendeinem Wiglaf Droste-Buch? „Geduld ist eine Rüstung, die nicht jedem passt“. Was mit der Rüstung indes geschieht, wenn sie platzt, wird dortselbst nicht weiter verraten. „Der wartet wohl auf ein besonders schönes Grün“, hört man hingegen den Driver of the pack an einer Ampel fluchen. So brausen sie dahin, nach Berlin-Karow, Pankgrafen- und Streckfußstraße wurden keck ins Navigationsgerät getippt.

 

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage? Die Navidame sagt: "Sein!" Und spricht es aus: „An der nächsten Kreuzung links abbiegen“. Makarios ruft entrüstet: „Nichtsein!“ Geradeaus geht es weiter. Einige Meter zumindest. Denn die Bornholmer Brücke ist bereits seit Juli für zwei Jahre gesperrt. Aus dem Navigerät ist ein strenges Räuspern zu vernehmen; Fürst Fedja legt einen halben Spin-o-Rama aufs Parkett und schon ist wieder Autobahnzeit. Berliner Autobahnzeit wohlgemerkt. Im Dunkeln, in klirrender Kälte wird der Ort des heutigen Konzertgeschehens, die Kleine Tanztee-Residenz, erreicht.

 

 

Privat geht’s heute her. Hoch her. Doch das wissen die Doctors noch nicht. Viktoria und Göttergatte bitten zum Stelldichein. Der Grund sind zwei dicht aufeinanderfolgende, runde Geburtsstage im unteren bis mittleren Lebensquartal. Und da die recht russisch-rustikal klingende Vorband sich noch im Soundcheck befindet, heißt es erst mal: Schnapsbar. Rauchen gehen. Schnapsbar. Oh! Das Buffet ist eröffnet! Teller füllen und was es alles gibt und noch mal: Teller füllen. Sehr lecker. Die Meeres- und Flussfreunde im Doctors-Tross loben an dieser Stelle besonders den fischgeräucherten Teil der kulinarischen Prozedur. Petri Heil, Lob und Dank nach Klossa an den lieben Angler in der Dämmerung Marcus dafür.

 

Die ersten Showeinlagen, getreu des zu feiernden Anlasses, folgen und siehe da: Die Pratajev-Sektion Gaschwitz taucht plötzlich auf. Damit hatte ja nun wirklich niemand gerechnet. Schön, dass die Welt so klein ist. Und weil die Welt so klein ist, sind es manche Schnapsgläser auch. Hinunter mit der klebrigen Masse darin. Der 60. Geburtstag ist noch fern und wird erst am 01.07.2017 (natürlich mit den Doctors) begangen.

 

Commercial Break: Buchen Sie die Russian Doctors! Verwöhnen Sie Ihr Publikum. Man wird sich noch Jahre später von diesem einen Abend nicht erholt haben, nein, falsch: Man wird sich noch Jahre später von diesem einen Abend erzählen.

 

 

Die Bühne muss komplett umgebaut werden, was gar nicht so einfach ist, wenn man vorher fest in die Schnapsbar biss. Doch es gelingt und nach einem fulminanten Soundcheck, der direkt ins Konzert übergeht, ist Showtime. Wer jetzt noch sitzt, ist selber schuld. Denn wie wir aus jedem Eishockeystadion der Oberliga wissen: Sitzen ist für’n Arsch. Es wird getanzt, geschunkelt, sicherlich auch gemunkelt. Ein Tablett voller Gläser verliert den Kampf gegen die Schwerkraft und dennoch kommt es Pichelstein so vor, als wäre diese immer weniger vorhanden. Man beachte diesbezüglich nur das kleine Stillleben in seiner Nähe, das Bild am Ende des Textes. Makarios führt galant bis zur letzten Schunkelschnapsbar durchs Programm, reißt hier aus und dort aus, Pichelstein rast mit den Fingern übers Saitenmetall, glücklich schwitzen sich alle Richtung Zugabeblock. Zwischendurch gibt Makarios den Howie und viel später, als die Nacht in den Morgen im herrlichen Holzhaus um die Ecke übergeht, wird ein holländischer Gast immer noch sagen: Dieses eine Lied auf Niederländisch, das war schon wirklich gut.

 

Die Kleine Residenz wird zur Sauna und die kleine Kellnerin hat aller Hand zu tun. Dafür wollen wir sie immer loben. Tja, wenn die Doctors kommen, ist der Tanztee vorbei. Dann gibt es Schnapstee mit Makarios und Pichelstein statt Sektchen mit Dörte und Uwe von der Mobildisco No Limit. Ganz lieben Dank an Viktoria und Gefolge. Es war uns ein Riesenfest. Und warum die Überschrift dieses Tourbuchs "Deo, wir fahren nach Leutzsch" heißt, ist nicht mehr nachvollziehbar.