Zeljko, der Bühnenkiller (324)


Sturmtief Zeljko hat mächtig Verspätung, sollte längst über Leipzig hinweg gezogen sein, doch dem Hausrüttler gefällt’s prächtig in der Tieflandsbucht. Mit ihm zu spaßen ist nicht. Spaß haben wohl nur die Wettervorhersager, bedeutet doch der kroatische Jungenname Zeljko „Der Erwünschte“. Wie werden sie das nächste Wolkenmonster nennen, das Keller und ganze Städte flutet? Felicitas, die glücksbringende Fröhlichkeit? Es sollte Kevin heißen, Alpha-Kevin. Ein Name wie eine Diagnose, von dem man nichts Gutes erwartet. Seit dem Abschied Jörg Kachelmanns aus den großen TV-Anstalten ist eben nichts mehr, wie es einmal war und der Beruf des Wettervorhersagers ist seitdem so unnütz wie der des Prozessbeobachters oder der des Adelsexperten. Muss man diese Aussage näher begründen? Benjamin Stöwe! Einfach mal das Erbe des seligen Ben Wettervogel im ZDF-Morgenmagazin anschauen und kräftig nicken.

 

 

Heute beginnt „Parcours 2015“, die Sommerausstellung im Mischhaus zu Leipzig-Stötteritz öffnet ihre Pforten, Künstler diverser Sparten trugen allerlei Elemente bei. Dass ein Parcours „eine Strecke mit vorbereiteten Hindernissen“ bezeichnet, wird synonym zum Beispiel durch in den Boden eingelagerte Badewannen verdeutlicht. Das Cafe Westen-Personal stemmt den kulinarischen Part – es lodert der Grill, fleißige Zapfer schenken kühle Getränke aus und mit letzter Kraftpuste zerfetzte Zeljko eben erst die liebevoll angerichtete Gartenbühne. Als die Doctoren eintreffen, flattern die Planen im Wind. Also muss umgedacht werden. Der Auftrittsort wird in den Eingangsbereich verlagert. Nun darf es nur nicht regnen. Wird es auch nicht, Glück gehabt.

 

Die Technik steht, der Garten ist proppevoll. Lange nicht gesehen: Die Dame Ane und Spaniens Leonard Emaro. Natürlich – es wird über den 3. Pratajev-Film gesprochen, gemutmaßt und vielleicht sollte es ihn wirklich noch geben. Eine herzergreifende Anmoderation folgt, Geschwätzigkeiten enden. Steffen Birnbaum stellt die einzelnen Künstler qua Laudatio vor, Assistentin Franziska verteilt Sonnenblumen und hernach feuert das Intro aus den Boxen.

 

 

Es ist immer wieder eine große Challenge, sich neues Publikum erspielen zu dürfen. Der überwiegende Teil der Kunstfreunde hat vor diesem 25. Juli 2015 noch nie ein Pratajev-Gedicht gelesen, geschweige denn sich ein Lied der Russian Doctors ins Ohr gestöpselt. Doch heute ist es, wie es eigentlich immer ist: die anfängliche Skepsis weicht rasch und dank Makarios‘ poetisch-praktischem Erzählritt gelingt der Pratajev-Parcours ab 20 Uhr ohne Pause mit Wodka-Sahnehäubchen obenauf. Nach mehr als zwei Stunden sind wieder einmal knapp 40 Weisen gespielt, Mundschenk Fürst Fedja sorgte zwischendrin mit ausreichenden Gelbschnapslieferungen für Belohnungsmomente bis zur letzten Zugabe, die bereits in tiefster Dunkelheit gespielt wird. Dann erlischt das Scheinwerferlicht, wird’s Backstage ein Middlestage und manch einer möchte mit den Doctoren unbedingt noch wohin, ins Cafe Westen vielleicht, ins NBL. Aber nein, sagen sich da die Herren Makarios und Pichelstein: für heute muss es reichen, die Arbeit ist getan. Noch ein letzter Gelbschnaps, dann nichts wie ohne Umwege ins sanfte Weich.